Disziplinierungs- und Einschüchterungsversuche
Die Staatsanwaltschaft verteidigt ihr Vorgehen. „Es ist nicht üblich, dass man sich vorher ankündigt – die Gefahr ist zu groß, dass dann die Beweismaterialien verschwinden. Außerdem haben wir nicht gewusst, dass Herr Reicherter verreist ist“, sagt Claudia Krauth, die Sprecherin der Behörde. „Den Vorwurf, wir hätten gewartet, bis er weg ist, weisen wir zurück.“ Außerdem habe man Dieter Reicherter im Ausland erreicht und informiert. Die Festplatten zweier Rechner seien gespiegelt und unverändert zurückgegeben worden.
Juristen zu Stuttgart 21 - über Hausdurchsuchung bei ehemaligen Richter empört
Wie der Spiegel in seiner heutigen Ausgabe berichtet (siehe auch BAA), wurde bei einem Mitglieder des Arbeitskreises Juristen zu Stuttgart 21, Herrn Vorsitzendem Richter am Landgericht a.D. Dieter Reicherter die Wohnung durchsucht. Gegen Dieter Reicherter besteht kein Verdacht einer Straftat. Er ist nur unschuldiger Zeuge.
Die Juristen sind empört über die unverhältnismäßigen und einseitigen Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Polizei. „Während schwere Straftaten wie der offensichtlich rechtswidrige Wasserwerfereinsatz vom 30.09.2010 mit hohem Personenschaden immer noch nicht geahndet sind, werden Gegner des Projekts Stuttgart 21 mit übertriebener Härte und teilweise zu Unrecht verfolgt“ kritisiert Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper.
„Mit Duldung von Ministerpräsident Kretschmann und der Landesregierung werden die Gegner von Stuttgart 21 wie verfassungsfeindliche Elemente behandelt und observiert. Und das geschieht auf Kosten des Steuerzahlers“ sagt der ehemalige Strafrichter Axel Tschorn. „Wer legalen Protest kriminalisiert und durch übertriebene staatliche Maßnahmen einzuschüchtern versucht, handelt zutiefst undemokratisch“, so Tschorn weiter.
Die Juristen zu Stuttgart 21 fordern die sofortige Beendigung von Observationen der Gegner des Bahnhofsprojekts. Sie fordern den Landtag auf, die undemokratischen Observierungen zu untersuchen und die skandalöse Einseitigkeit und Unverhältnismäßigkeit von strafrechtlichen Ermittlungen durch Justiz und Innenministerium zu beanstanden und abzustellen.
Pressekontakt: Dr. Eisenhart von LoeperEin Interview vom 28.10.2011 in der taz
Verfassungsrichter über Durchsuchungen
"Viele sind verfassungswidrig"
Der Verfassungsrichter Mellinghoff wechselt zum Bundesfinanzhof. Ein Gespräch über die Grenzen des Privaten, Durchsuchungen wegen Falschparkens und überlastete Richter.
Gibt es typische Konstellationen?
Da wird nach Beweismitteln gesucht, die der Polizei schon vorliegen. Oder es wird angeblich nach Entlastungsbeweisen gesucht - dabei kann der Beschuldigte diese ja selbst ins Verfahren einbringen. Da wird durchsucht, obwohl eine Information auch auf andere Weise beschafft werden könnte, etwa über staatliche Register. Da wird ohne handfesten Verdacht und nur aufgrund vager Anhaltspunkte und Vermutungen einfach mal die Wohnung durchsucht.
Eine Wohnungsdurchsuchung dient aber nicht dazu, einen Tatverdacht erst zu begründen. Sonst könnte man jede Wohnung durchsuchen und ohne weitere Rechtfertigung die Privatsphäre der Bürger ausforschen.
Hat die Polizei zu viel Zeit?
Wenn man liest, dass eine Wohnung wegen Falschparker-Bußgeldern in Höhe von 15 Euro durchsucht wird, kann man kaum glauben, dass Polizei und Justiz so furchtbar überlastet sind. Manchmal hat man den Eindruck, da geht es noch um etwas anderes als um Strafverfolgung.
Worum?
Zum Beispiel um Einschüchterung und Disziplinierung. Dazu sind Hausdurchsuchungen im Rechtsstaat aber ganz sicher nicht da.